4. Garde des Hohen Rats

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Befreien.

Ist es denn auch das, was ich möchte?

Schließlich habe ich mich hier eingesperrt. Huh, wie selbstgefällig.

"Richard? Richard? Richard? ... Richard?!"

Die Stimme war fast ein Flüsterton. So gedämpft erreichte mich die Außenwelt hier, wo ich gefangen war. Ich hielt inne. Lauschte für einen Moment. Das Klirren der Ketten würde sonst alles übertönen.

"Häh, ja. Ich bin da", sagte Hammthal durch mich. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Sich selbst sprechen zu hören, aber die Worte nicht im Kopf geformt zu haben, war wie die Essenz von kognitiver Dissonanz.

"Das hoffe ich doch und jetzt hör bitte auf, in Gedanken abzuschweifen. Es geht hier schließlich um deine Verteidigung."

Verteidigung? Was war in meiner Abwesenheit passiert?

"Nun, es ist eigentlich klar, dass die Ausradierung des Korrektorenteams nicht deine Schuld ist."

Jetzt würde ich mir gern die Schläfen massieren. Hammthal befand sich in einem Gespräch mit unserem Hausjuristen Jonathan Nathan. Er war eine Person meines Vertrauens und trug sein Herz auf der Zunge.

"Die Geborenen werden dir daraus dennoch versuchen einen Strick zu drehen. Hmmm ..."

Wie es aussah, würde der Hohe Rat mich vorladen. Ein ausgelöschtes Korrektorenteam. Mir soll die Schuld angelastet werden. Neben dem blutigen Nachgeschmack lag mir auf der Zunge, wie diese beiden Puzzleteile zusammenpassen würden. Nur greifen konnte ich es gerade nicht.

"Wie ich es auch drehe und wende. Das Ganze wird nachteilig für die Fraktion der Etablierten werden."

"Was ist mit den Loyalisten?", fragte Hammthal.

Der Hohe Rat bestand aus drei Fraktionen. Den Geborenen, Etablierten und Loyalisten. Eines hatten alle Mitglieder gemein, sie waren Forscher. Die einen noch jung und am Anfang ihrer Karriere. Die anderen schon alt gedient und vermeintlich weise. Und dann waren da noch die Überbleibsel vom Regierungswechsel einer Monarchie zu einer Technokratie.

"Was soll sein, sie werden die Füße stillhalten. Neutralität ist bei denen gerade das Gebot der Stunde. - Wie sieht es mit Zugeständnissen aus?", wechselte Jonathan ohne Zeit zu verlieren zur nächst bestmöglichen Lösung.

"Ich soll diesen machtgeilen Säcken Teile meiner Forschung überlassen?", polterte es aus Hammthal heraus.

Idiot, wer ermahnt hier wen sonst zur Besonnenheit?!

"Nur das Abgeschlossene, als Zugeständnis." Ich konnte der Logik von Jonathan gut folgen. Es war das kleinere Übel, intellektuelles Eigentum des Instituts der allgemeinen Forschungsgemeinde zu überlassen. Die oberste Priorität schien gerade Zeit zu gewinnen. Welchen Wert Zeit eigentlich hatte, wollte mir das Leben scheinbar wiederholt unter Beweis stellen. Das würde mich noch irgendwann ins Grab bringen.

"Das kann ich nicht entscheiden", urteilte Hammthal kurzum.

"Häh?" Ich konnte mir vorstellen, wie Jonathans buschige Augenbrauen gerade zu einer mächtigen Monobraue wurden. "Es ist deine vermaledeite Forschung. Dein Forschungsinstitut, Richard!"

"Lass mich überlegen."

"Viel Zeit zum groß Nachdenken wird uns nicht mehr bleiben. Wann immer die nächste Sitzung ist, wirst du ..."

Eine Pause im Gespräch. Für den Moment kehrte meine Wahrnehmung wieder gänzlich zurück in dieses triste Verlies.

Bin ich noch da?

"Richard, entschuldige die Störung", erklang entfernt eine weitere mir bekannte Stimme. Mürze! Erleichterung wusch über mich. Ich wusste nicht genau, woher dieses Gefühl kam. Aber wenn es Jonathan und Mürze gut ging, dann dürfte es auch um den Rest des Himmelsinstituts gut stehen. Das Himmelsinstitut war mit der Gründung von Sarkorska durch Hammthal auf die Beine gestellt worden. Es pflanzte den Samen der Forschungsnation und war mittlerweile konzentriert auf der Erforschung von Gefahren für Sarkorska und möglichen Abwehrmaßnahmen. Keine andere Institution hielt mehr Patente und wissenschaftliche Texte jenseits des Imperiums.

"Soeben traf ein Telegramm ein. Die Verhandlung findet heute statt." Mürze war Hausangestellter und Chefkoch. Kräftig gebaut und von den Jahren als Fischer und Seemann vom Wind und Meerwasser gegerbt, kümmerte er sich in der Blüte seines Lebens um all die Kleinigkeiten des Instituts. Ich wette, er trägt wieder sein Hemd aus Leinen mit diesen kleinen blauen Ankern, die so langsam verblassten. Es war bereits nicht in der besten Verfassung, als ich ihn ins Institut einlud. Aber er hielt daran fest.

"Was zur ... Welcher Dämon hat die denn geritten?!", fragte Jonathan erbost.

Rauschen? Ein leises Zischen begann anzuwachsen. Und dann, von jetzt auf gleich begann sogar die massive Kerkertür zu zittern. Wir haben Gäste.

Wie ein Anklopfen ebbte die Welle an Seelenflammen wieder ab.

"Richard, ich werde dich begleiten. Als dein Verteidiger werde ich an deiner Seite bleiben", stellte unser Hausjurist klar.

"Das werden sie nicht zulassen." / Das werden sie nicht zulassen.

"Wer?!", fragte Jonathan.

"Das Corrigendum. Sie sind bereits hier."

Stehen wir doch schon mit dem Rücken zur Wand?

Mein Körper begann zu krampfen. Wie ein Besessener versteiften sich meine Muskeln. Ich zog mich an den Ketten hoch wie ein Turner an Ringen. Die Sekunden fühlten sich wie eine halbe Ewigkeit an. Dann Schwärze, als ich wieder in mich zusammensackte.

< ... >
< ... >
< ... >
< Befragungsraum >

Wilhelm Stark: "Ich frage mich, unter welchen Bedingungen Hammthal die Kontrolle über Richard Thal's Körper übernehmen kann."

Magnus Leupold: "Wann immer es will, oder nicht? Hammthal ist und bleibt ein Seelendämon."

Wilhelm Stark: "Aber es ist auch ein Seelendämon, der an einen Menschen gebunden ist. Was können wir da noch von einem Seelendämon erwarten?"

Magnus Leupold: "Junge. Unterschätze ihn nicht."

Wilhelm Stark: "Im Gegensatz zu dir mache ich das nicht."

Magnus Leupold: "Das lässt sich in der Rückschau so schön leicht sagen, aber du hast noch nie gegen Richard oder Hammthal kämpfen müssen."

Wilhelm Stark:  "Wer kämpft auch schon einen fairen Kampf."

Diese Geschichte schließt an Operation Sublimierung an. Siehe hierfür: https://www.worldanvil.com/community/manuscripts/read/2223665389-midnightplay-operation3A-sublimierung
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